Singapur: Die Stadt der Löwen (CrossCultures 8)
Gastbeitrag von Rafael González García de Cosío
Wir hören oft, die Zukunft liege in Asien, wir müssten lediglich Chinesisch lernen. Aber man vergisst, dass es andere interessante Länder in diesem riesigen Erdteil gibt, in denen Englisch sogar als Amtssprache gilt: Indien und Singapur sind gute Beispiele dafür. Singapur gilt als außergewöhnlich, denn auch wenn dort Englisch die offizielle Sprache ist, sprechen die meisten Bürger Chinesisch, Malaiisch oder Hindi als Muttersprache. Diese Bereicherung des Landes an Kulturen, Sprachen und Ethnien ist vom ersten Moment an sichtbar, wenn der Tourist in Changi, Singapurs Flughafen, landet. Beim Zoll sieht man Chinesen, Inder und Malaysier mit derselben Uniform unter derselben weiß-roten Fahne.
Fotos: Rafael González García de Cosío
Singapur, was auf Malaiisch ‘Stadt der Löwen’ heißt, ist ein hochentwickeltes Land, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich. Die Wirtschaft basiert auf Dienstleistungen und das Gesetz gilt weltweit als eines der strengsten: Zigaretten auf die Straße zu werfen wird mit 400 Euro bestraft und das Essen in der U-Bahn ist verboten. Allerdings sind die Behörden den Ausländern gegenüber toleranter. Diese strengen Regeln bemerkt man, wenn man auf den sauberen Straßen einen Spaziergang macht. Ausnahme ist Little India, ein beliebtes Stadtviertel, wo schlechte Gerüche sowie Zigaretten auf der Straße nicht selten sind. Der Hafen in Singapur ist einer der größten der Welt und der Flughafen empfängt jährlich Millionen von Menschen (in 2013: 53 Mio.), von IT-Spezialisten über amerikanische Broker, bis hin zu argentinischen und deutschen Rucksacktouristen. Damit ähnelt Singapur Ellis-Island in New York, die Millionen von Zuwanderern Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen hat.
Es ist wahr, die Stadt erscheint in den Rankings als eine der teuersten der Welt, aber das ist verständlich. Eigentlich ist eine Wohnung das teuerste in dieser Stadt, die Restaurants und Food Courts (verteilt durch die ganze Stadt) hingegen bieten sehr günstige und leckere Gerichte an. In Little India zum Beispiel kann man einen Teller mit Hähnchen und Reis und eine Cola für nur 2 Euro bestellen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind auch gut und billig und nicht alle Flughäfen der Welt bieten ein Schmetterlingsgehege oder ein Kino. Das Land verfügt über seine eigene künstliche Insel, die Sentosa Island, mit Freizeitpark, Läden, S-Bahn und künstlichen Stränden. Allerdings ist Singapur selber wie ein Freizeitpark, denn die Stadt enthält verschiedene Stadtviertel: Chinatown, Little India, Holland Village etc., die durch langen Boulevards verbunden sind.
Der Zuwanderer, der sich für Singapur entscheidet, muss keine Angst vor dem Kulturschock haben, denn ihn erwartet eine Stadt, die Unternehmer mit einem großen Lachen empfängt und eine große Leidenschaft für Europäer hat: Juwelen, kosmetische Produkte, Automarken und Kleidungen Made in Europe sind sehr hoch angesehen, von den kleinen Flohmärkten bis hin zu den großen, manchmal unterirdischen Einkaufszentren. Bis jetzt wurde die Anwesenheit von Löwen in dieser Insel nicht bewiesen, aber eines ist klar: Diese Stadt brüllt und ist hungrig, zukunftshungrig.
Ein interessantes Phänomen und ungewöhnlich für das weit verbreitete Bild über das zurückhaltendes Verhalten von Asiaten ist das Kiasu-Verhalten. Das Wort „Kiasu“ stammt aus einer Variante der südchinesischen Sprache und beschreibt ein bestimmtes soziales Verhalten: “Die Angst, zu verlieren”. Das Konzept Kiasu bezieht sich auf den Wunsch, immer der Beste sein zu wollen, immer zuerst zu kommen und nie zu verlieren. Das Wort ist so weit verbreitet, dass es in 2007 in das englische Wörterbuch Oxford aufgenommen wurde. Das Kiasu-Verhalten bezieht sich auf die Familie, die Erziehung und die Wertevermittlung. Singapur gilt als das Heimatland der “Kiasu People”.
Mehr dazu:
Know The Culture: Kiasuism (Video)