Kuba: Erste Minuten wie in einer anderen Welt (CrossCultures 9)
Gastbeitrag von Rafael González García de Cosío
Wir träumen alle von einer Reise nach Kuba. Ich darf glücklicherweise an meine eigene Erfahrung zurückdenken. An meinem ersten Tag in Kuba im August 2009 fühlte ich mich wie Tom Hanks in dem Film ‘Big’. Ich kam am internationalen Flughafen José Martí Havana am Abend an und suchte einen Bekannten meines Vaters, José Luis. Ich werde niemals meinen Durchgang durch die Passkontrolle vergessen. Die Kubaner sprangen von einer Schlange in die andere. Nach dieser Kontrolle gab es einen Stand mit drei schönen in weißen Jacken angezogenen Frauen, die die Reisenden vernehmen mussten. Sie gaben mir einen weißen Zettel, auf dem stand, dass sie einige Tage später bei mir vorbeikommen würden, um meinen Gesundheitszustand zu prüfen. Eine Dame davon fragte mich, ob ich ein paar Münzen hätte. Ich gab ihr drei Euro, das war alles, was ich in meinem Geldbeutel hatte. Der Rest war nur amerikanischer Dollar.
Foto: Rafael González García de Cosío
Der Dollar ist wichtig in Kuba, wo es zwei verschiedene Währungen gibt: Der kubanische Peso und der Peso Convertible (CUC), der dem Wert des Dollars entspricht. Die Bevölkerung nutzt den kubanischen Peso. Der CUC gilt für Touristen, die in den Supermärkten Produkte der ersten Welt kaufen können. Somit kann man verstehen, weshalb die Kubanerinnen am Flughafen um Euros baten. Die drei Euro, die ich aus meinem Portemonnaie herausgeholt habe, entsprachen 30 Prozent ihres monatlichen Gehalts.
Das Treffen mit José Luis war schwierig, weil er selten auf meine SMS geantwortet hat. Er war aber da, am Ausgang und trug ein Schild mit meinem Namen drauf: ”Rafael”. Er hatte ein seriöses Gesicht und sah müde aus. Nichts desto trotz war er stark und hatte einen durchdringenden Blick. José Luis, 54, hatte sein ganzes Leben in Kuba gearbeitet und war niemals im Ausland. Damals, in 2009, gab es ein Verbot der Regierung für Auslandsreisen. Diejenigen, die sich trauten, im Ausland zu arbeiten, verloren automatisch ihre kubanische Staatsangehörigkeit.
Wir verließen den Terminal. Es war schwül, gewitterig und windig: Typisch für die Karibik. Das Überraschendste kam später. Der Taxifahrer, der auf uns gewartet hat, bat uns, ihm beim Autostarten zu helfen. Sein Auto war ein Moskvitch 2140, das wir mit großer Anstrengung anschieben mussten. Ich war besonders erstaunt, denn ich dachte, der Taxifahrer war ein Kumpel von José Luis. „Eine Hand wäscht die andere“, dachte ich mir. Ich habe mich getäuscht. Als wir in meinem Gasthaus ankamen, verabschiedete ich mich von meinen neuen Freunden und trank einen Papaya-Saft vor dem Abendessen. Am nächsten Tag rief mich José Luis an: ”Hör zu, Rafael. Du weißt, du schuldest mir 15 CUC, oder?”. Ich stellte sofort fest, dass es auf dem revolutionären Kuba nichts umsonst gibt.
Die kubanische Revolution Mitte-Ende der Sechziger Jahre brachte eine grundlegende Veränderung der Lebensverhältnisse auf Kuba. Vor allem für die armen Gesellschaftsschichten brachte sie neue Perspektiven sozialen Aufstiegs mit sich. Sozialstaatliche Leistungen wurden vom Staat etabliert, allen voran Bildung, Gesundheit und soziale Absicherung, verbunden mit einer im Vergleich zu anderen Gesellschaften Lateinamerikas hohen sozialen Gleichheit. Mit dem Ausbleiben der sowjetischen Unterstützung nach 1989 nahm die Qualität vieler dieser Leistungen stark ab. Lohn- und Rentenzahlungen litten stark unter dem Wertverlust der kubanischen Währung. Die staatliche Subventionierung von Grundnahrungsmitteln, die über die Rationierungskarte, die “Libreta”, bezogen werden können, deckt seit langem nicht mehr den Bedarf. Im Zuge des von Raúl Castro eingeläuteten wirtschaftlichen Umbaus soll sie nun mittelfristig gänzlich abgeschafft werden, was große Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst hat.
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